INTERIEURS

 

Daß die Innenwelt zugänglich werde wie die AußenÂwelt, ist die Option einer Strategie grenzenloser VerÂfügbarkeit eineindeutiger Relationierungen von abÂbildlicher Wirklichkeit und gegenständlicher Realität. Die Virtualität eines Inwendigen, das nicht nur die unÂwirkliche Verschlossenheit der Außenwelt in homogeÂner Abbildlichkeit simuliert, führt zur Befreiung aus der Immanenz der Bilder; das Ãœberschaubare, die Ruhe des Privaten, die das ,Interieur‘ als kunsthistorischer Begriff benennt, wird durch die bildliche Partikularisierung abbildlicher Topoi – der Tisch, das Tuch, das Kästchen, die Lampe – gegenüber der inneren KontiÂnuität der sprachlichen Einheit des Begriffs in eine geÂgenläufige Relation zur tradierten Vorstellung gewenÂdet. Im Zwischenraum dieser Bezüge wird die AußenÂwelt durchsichtig auf eine eigensprachlich sich assoziÂierende Innenwelt und darin durchgängig erfahrbar in der materialen Evidenz ihrer reflexiven Oppositionen.

Die blaue Blume ist ein rosa Gänseblümchen. Befreite Sprache erhebt Einspruch gegen die gegenständliche Wirklichkeit ihrer abbildlichen Entsprechungen, schafft bildsprachlichen Eigensinn, der die divergieÂrenden Fluchten von Innenwelt und Außenwelt in verÂkehrter Perspektive aneinanderstoßen läßt, so daß sie in der Indifferenz der Projektionsflächen eine verÂrückte Kontinuität von Funktionsraum und Bildraum inszenieren. Tischplatte und Bildrahmen überschneiÂden sich in der begrifflichen Ununterscheidbarkeit von Schnitt oder Kante und geben darin dem Kunststück der statischen Unmöglichkeit eines schwebenden Tischs gleichermaßen realen wie metaphorischen Halt. Die Komparserie eigensprachlicher GegenÂständlichkeit folgt den dramaturgischen Anweisungen mimetischer Intentionen: die Anthropomorphisierung funktionslos gewordener Tischbeinkurvaturen verhält deren Spannung in der Latenz von Greifbewegungen eines affenartigen Gebildes.
Die Vorstellung der Gegenstände bestimmt den mateÂrialen Ausdruck ihrer abbildlichen Realität. Die WirkÂlichkeit des Bildes und das gegenständliche Abbild spiegeln sich in der Farbrealität des Pigments. Die Inversion der Empfindungen hautiger Nähe gibt den Dingen ein Licht aus eigener, pastelliger Wirklichkeit und bricht darin die Erfahrung sinnlicher UnmittelbarÂkeit in leibhafter Distanz. Die Haut der Dinge beÂschwört die körperliche Kontinuität des Interieurs in der bildlichen Abfolge gegenständlicher EmpfinÂdungseinheiten; ihre Schnitte markieren die Sprünge zeitlicher Dissoziation; die konstruktive Einheit des BilÂdes weist durch sie über sich hinaus. Wo die Haut der Haut unmittelbar im Bild erscheint, wird sie zur Maske der Nähe durch beschleunigende Vergrößerung. Der Körper des Kästchens, das diese Bewegung innehält, ist durchglüht vom Kunstlicht magischer Verheißung; sein schwebender Deckel inauguriert die Erzählung von der Virtualität seines Innenraums.
Wolfgang Siano
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