• Info
  • Ãœbersicht
  • Wolfgang Siano – Interieurs

    INTERIEURS

  

    Daß die Innenwelt zugänglich werde wie die Außen­welt, ist die Option einer Strategie grenzenloser Ver­fügbarkeit eineindeutiger Relationierungen von ab­bildlicher Wirklichkeit und gegenständlicher Realität. Die Virtualität eines Inwendigen, das nicht nur die un­wirkliche Verschlossenheit der Außenwelt in homoge­ner Abbildlichkeit simuliert, führt zur Befreiung aus der Immanenz der Bilder; das Ãœberschaubare, die Ruhe des Privaten, die das ,Interieur‘ als kunsthistorischer Begriff benennt, wird durch die bildliche Partikularisierung abbildlicher Topoi – der Tisch, das Tuch, das Kästchen, die Lampe – gegenüber der inneren Konti­nuität der sprachlichen Einheit des Begriffs in eine ge­genläufige Relation zur tradierten Vorstellung gewen­det. Im Zwischenraum dieser Bezüge wird die Außen­welt durchsichtig auf eine eigensprachlich sich assozi­ierende Innenwelt und darin durchgängig erfahrbar in der materialen Evidenz ihrer reflexiven Oppositionen.

Die blaue Blume ist ein rosa Gänseblümchen. Befreite Sprache erhebt Einspruch gegen die gegenständliche Wirklichkeit ihrer abbildlichen Entsprechungen, schafft bildsprachlichen Eigensinn, der die divergie­renden Fluchten von Innenwelt und Außenwelt in ver­kehrter Perspektive aneinanderstoßen läßt, so daß sie in der Indifferenz der Projektionsflächen eine ver­rückte Kontinuität von Funktionsraum und Bildraum inszenieren. Tischplatte und Bildrahmen überschnei­den sich in der begrifflichen Ununterscheidbarkeit von Schnitt oder Kante und geben darin dem Kunststück der statischen Unmöglichkeit eines schwebenden Tischs gleichermaßen realen wie metaphorischen Halt. Die Komparserie eigensprachlicher Gegen­ständlichkeit folgt den dramaturgischen Anweisungen mimetischer Intentionen: die Anthropomorphisierung funktionslos gewordener Tischbeinkurvaturen verhält deren Spannung in der Latenz von Greifbewegungen eines affenartigen Gebildes.
    Die Vorstellung der Gegenstände bestimmt den mate­rialen Ausdruck ihrer abbildlichen Realität. Die Wirk­lichkeit des Bildes und das gegenständliche Abbild spiegeln sich in der Farbrealität des Pigments. Die Inversion der Empfindungen hautiger Nähe gibt den Dingen ein Licht aus eigener, pastelliger Wirklichkeit und bricht darin die Erfahrung sinnlicher Unmittelbar­keit in leibhafter Distanz. Die Haut der Dinge be­schwört die körperliche Kontinuität des Interieurs in der bildlichen Abfolge gegenständlicher Empfin­dungseinheiten; ihre Schnitte markieren die Sprünge zeitlicher Dissoziation; die konstruktive Einheit des Bil­des weist durch sie über sich hinaus. Wo die Haut der Haut unmittelbar im Bild erscheint, wird sie zur Maske der Nähe durch beschleunigende Vergrößerung. Der Körper des Kästchens, das diese Bewegung innehält, ist durchglüht vom Kunstlicht magischer Verheißung; sein schwebender Deckel inauguriert die Erzählung von der Virtualität seines Innenraums.
    Wolfgang Siano
     

     
    Â